Bonn / Köln (ots) –
Mit der heutigen Abstimmung zum EU-Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) im Europäischen Parlament wurde ein Durchbruch für nachhaltiges globales Wirtschaften erzielt und der Weg für den weiteren Abstimmungsprozess zu der Richtlinie geebnet. Angenommen wurde auch ein Passus, der die menschenrechtliche und umweltbezogene Pflichten von Investoren und Vermögensverwaltern definiert.
Ulrike Lohr vom Bonner SÜDWIND-Institut kommentiert dazu: „Wir begrüßen die Zustimmung des Europäischen Parlaments zur Vorlage des Europäischen Lieferkettengesetzes am heutigen Tag. Denn damit werden auch erstmals verbindliche Vorgaben für menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten für Finanzdienstleister gemacht. Uns freut besonders, dass trotz aller Lobbybemühungen die Bestimmungen über die Sorgfaltspflichten für institutionelle Investoren und Vermögensverwalter ebenfalls angenommen wurden.
EU-Lieferkettengesetz wichtig für Hebelwirkung des Finanzsektors
Dies ist ein guter Tag für den Sustainable-Finance-Standort Europa. Denn nur mit einem Europäischen Lieferkettengesetz, dass die Anforderungen an die Umwelt- und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten für Finanzdienstleister aus buchstabiert, kann sich die Hebelwirkung des Finanzsektors entfalten. Damit wird Europa von einem Finanzplatz, der bisher lediglich transparent über Missstände berichtete, auch zu einem Standort, in dem Finanzdienstleister dafür Sorge tragen müssen, Verstöße gegen Umwelt oder Menschenrechte in ihren Geschäftsbeziehungen zu beheben.“
Gertrud Falk von FIAN Deutschland hebt hervor: „Mit dem Parlamentsbeschluss wird es für institutionelle Investoren wie z.B. Pensionseinrichtungen in Zukunft schwieriger, Gewinne auf Kosten der Menschenrechte und des Umweltschutzes machen. Angesichts der gut dokumentierten Menschenrechtsverstöße und Umweltschäden werden zum Beispiel Pensionseinrichtungen wie der schwedische Andra AP-fonden (AP2) oder der holländische Stichting Pensioenfonds ABP ihre Investments von mehr als einer Milliarde Euro in die US-amerikanische Landfonds überdenken und wahrscheinlich zurückziehen müssen. Durch diese Investments wurden in der waldreichen brasilianischen MATOPIBA-Region riesige Landflächen von etwa 100.000 Hektar teilweise illegal angeeignet und zahlreiche traditionale und indigene Gemeinschaften vertrieben.
Dieser Fall verdeutlicht, wie verantwortungslose Investments gravierende Menschenrechtsverletzungen und enorme Umweltschäden ermöglichen. Sie mit der heute verabschiedeten EU-Parlamentsposition einzubeziehen, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gewährleistung der Menschenrechte in den nachgelagerten Wertschöpfungsketten.“
Dringender Nachbesserungsbedarf in Trilogverhandlungen
„Auch wenn Finanzdienstleister in dem vom Parlament gefundenen Kompromiss einbezogen werden, weist der Beschluss dennoch entscheidende Schwächen auf. So beschränken sich die Pflichten der Finanzdienstleister auf ihre Geschäfte mit direkten Großkunden. Damit ist beispielsweise die Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen, die die Menschenrechte missachten, weiterhin möglich. Hier besteht noch dringender Nachbesserungsbedarf in den kommenden Trilogverhandlungen“ ergänzt Pablo Campos vom SÜDWIND-Institut.
Sophia Cramer von FIAN Deutschland fügt hinzu: „Es ist sachlich nicht nachvollziehbar, warum Finanzdienstleister nicht dieselben menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten haben sollen wie Unternehmen der Realwirtschaft. Besonders eindrücklich zeigt sich das bei der zivilrechtlichen Haftung, von der nach EU-Parlamentsposition alle Finanzdienstleister ausgenommen werden sollen.“
Hintergrund:
SÜDWIND e.V. und FIAN Deutschland sind Teil der Initiative Lieferkettengesetz, einem Bündnis von über 130 Organisationen, die sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einsetzen.
Nachdem die Europäische Kommission im Februar 2022 einen Entwurf für die Regulierung vorgelegt hat und sich der Rat im November 2022 dazu positionierte, hat am heutigen Donnerstag das Europäische Parlament nach langem Aushandlungsprozess über seine Position abgestimmt.
Die Initiative Lieferkettengesetz hebt an dem Kompromiss als positiv hervor:
– Die klare Anforderung an Unternehmen, eigene Einkaufspraktiken anzupassen und Verträge mit Zulieferbetrieben fair zu gestalten.
– Es werden umfangreich Menschenrechte berücksichtigt, z.B. auch das Recht auf ein existenzsicherndes Einkommen und einen existenzsichernden Lohn.
Eine Schwachstelle weist der Kompromiss im Bereich der zivilrechtlichen Haftung auf. So werden zwar Klagemöglichkeiten für Betroffene geschaffen. Es besteht aber weiter eine hohe Hürde, diese auch wahrzunehmen, denn es fehlt an einer fairen Verteilung der Beweislast in Klagefällen.
Pressekontakt:
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